von Tan­ja Trax­ler

Dass der Mensch die Na­tur aus­beu­tet, ist so weit nichts Neu­es. In wel­chem Aus­maß und mit wel­chen Mo­ti­ven und ob das al­les so sein müss­te, er­forscht der Öko­lo­ge Karl­heinz Erb. Er war be­tei­ligt an der Ent­wi­cklung der Land­sys­tem­for­schung, in de­ren Zen­trum die wech­sel­sei­ti­gen Be­zie­hun­gen zwi­schen Na­tur und Mensch ste­hen.

Er­näh­rung und Kli­ma

Im Ge­gen­satz zur vor­aus­ge­hen­den Land­nut­zungs­for­schung, die sich auf die Ein­flüs­se des Men­schen auf Na­tur­pa­ra­me­ter wie Koh­len­stoff­be­stän­de kon­zen­triert, steht in der Land­sys­tem­for­schung de­ren Wech­sel­wir­kung im Vor­der­grund. In Erbs For­schung geht es da­rum, wel­che Aus­wir­kun­gen die mensch­li­che Land­nut­zung et­wa auf den Kli­ma­wan­del, die Er­näh­rungs­si­cher­heit, aber auch die Bio­di­ver­si­tät hat und in­wie­weit dies Aus­wir­kun­gen auf ge­sell­schaft­li­che Pro­zes­se hat.

„Wenn man aus der Na­tur­wis­sen­schaft kommt, schaut man sich gar nicht so ger­ne an, wel­che Aus­wir­kun­gen der Mensch auf die Um­welt hat, der wird eher als Stö­ren­fried an­ge­se­hen, den man im De­tail nicht ge­nau­er be­trach­ten will“, sagt Erb. Ge­ra­de beim Kli­ma­wan­del zeigt sich die Wech­sel­sei­tig­keit der Be­zie­hung zwi­schen Mensch und Na­tur: Ei­ner­seits ist der Mensch An­trieb­skraft für er­höh­te CO 2 -Wer­te und den Tem­pe­ra­tu­rans­tieg, an­de­rer­seits pas­sen sich die Men­schen an die Ver­än­de­run­gen der Na­tur an.

In ei­nem Pro­jekt, das vom Eu­ro­päi­schen For­schungs­rat im Rah­men ei­nes ERC Grant ge­för­dert wird und das in ei­ni­gen Mo­na­ten aus­läuft, hat Erb die Zu­sam­men­hän­ge zwi­schen welt­wei­ter Er­näh­rungs­si­cher­heit und Land­nut­zungs­in­ten­si­tät er­forscht, wie in­ten­siv al­so ge­wis­se Flä­chen vom Men­schen ge­nutzt wer­den.

Zwei Pfer­de­fü­ße

Da­bei zeigt sich, dass die In­ten­si­vie­rung zwar den Vor­teil hat, dass sich die Er­trä­ge pro Flä­che er­hö­hen. So könn­te man mehr Flä­chen un­be­rührt las­sen und trotz­dem die­sel­be Men­ge pro­du­zie­ren. „Gleich­zei­tig wis­sen wir, dass die In­ten­si­vie­rung der letz­ten 60 Jah­re, die sehr stark auf der Land­wirt­schaft ba­siert, vie­le öko­lo­gi­sche Pro­ble­me mit sich ge­bracht hat“, sagt Erb: Dün­ger, Mo­no­kul­tu­ren, Ein­grif­fe in die Bio­di­ver­si­tät oder ei­ne Zu­nah­me an Emis­sio­nen.

Erb nennt ein Bei­spiel aus ei­ner sei­ner Pu­bli­ka­tio­nen: Für den Zweck der In­ten­si­vie­rung hat sich in der Vieh­zucht in den ver­gan­ge­nen Jahr­zehn­ten im Wes­ten im­mer stär­ker Kraft­fut­ter wie So­ja, Wei­zen oder Ge­trei­de durch­ge­setzt, an­statt die Tie­re mit Gras oder Heu zu füt­tern. Der Vor­teil da­von: Um ei­nen Li­ter Milch zu pro­du­zie­ren, muss deut­lich we­ni­ger Nah­rung zu­ge­führt wer­den. „Aus un­se­rer Sicht hat die­se Ar­gu­men­ta­ti­on den­noch zwei Pfer­de­fü­ße“, sagt Erb: Da­durch, dass man et­was ef­fi­zien­ter pro­du­ziert, heißt das nicht, dass man we­ni­ger oder gleich viel da­von kon­su­miert. Im Fach­jar­gon spricht man vom „Re­bound-Ef­fekt“: In­dem et­was güns­ti­ger pro­du­ziert wird, sinkt der Preis, wo­durch der Ab­satz steigt. In Sum­me wer­den die Ge­win­ne durch die Ef­fi­zienz­stei­ge­rung wie­der durch ei­nen hö­he­ren Ver­brauch wett­ge­macht.

Wenn Tie­re Kraft­fut­ter be­kom­men, er­gibt sich wei­ters ein Kon­kur­renz­pro­blem zwi­schen der Be­reits­tel­lung von Tier­fut­ter und der von mensch­li­cher Nah­rung. Erb hat mit Kol­le­gen aus­ge­rech­net, was pas­sie­ren wür­de, wenn die Vieh­zucht welt­weit auf Kraft­fut­ter ver­zich­ten wür­de. Ei­ne der viel­fäl­ti­gen Fol­gen wä­re, dass der Fleisch­kon­sum teil­wei­se um bis zu 50 Pro­zent ein­ge­schränkt wer­den müss­te. „Al­ler­dings wä­re das durch An­bau von Ei­weiß­pflan­zen leicht kom­pen­sier­bar, und auch Um­welt­schä­den und der Druck auf Wäl­der wür­den deut­lich ab­neh­men“, sagt Erb. Mit­un­ter ist die In­ten­si­vie­rung nicht so ein­fach zu be­ur­tei­len: „Wenn man nur ver­sucht, ein Ki­lo­gramm Fleisch ef­fi­zien­ter zu pro­du­zie­ren, heißt das noch nicht, dass das Sys­tem ins­ge­samt ef­fi­zien­ter wird.“

Zu­neh­men­de Aus­beu­tung

Ge­ne­rell zeigt sich, dass die In­ten­si­vie­rung der Land­nut­zung ste­tig zu­nimmt – ge­schul­det der öko­no­mi­schen Pro­fit­ma­xi­mie­rung eben­so wie der Tech­ni­sie­rung der Land­wirt­schaft. Die­ser Trend ist un­ab­hän­gig von po­li­ti­schen Sys­te­men – das er­ga­ben et­wa Erbs ver­glei­chen­de Land­nut­zungs­stu­di­en zwi­schen Ost- und West­deutsch­land vor der Wie­der­ver­ei­ni­gung: Die Na­tur wur­de in glei­chem Ma­ße aus­ge­beu­tet, egal ob ei­ne ka­pi­ta­lis­ti­sche Markt­wirt­schaft da­hin­ter­stand oder ei­ne kom­mu­nis­ti­sche Plan­wirt­schaft.

Be­trach­tet man die Land­nut­zung in Eu­ro­pa in den ver­gan­ge­nen 20 Jah­ren, zeigt sich, dass sich schein­bar ei­ni­ges zum Gu­ten wen­det, Wald zu­rück­kehrt und der Druck auf die Flä­chen ab­nimmt. Doch es gibt ein gro­ßes Aber: „Wir ha­ben her­aus­ge­fun­den, dass das nichts da­mit zu tun hat, dass die Eu­ro­pä­er nun we­ni­ger kon­su­mie­ren, son­dern da­mit, dass sie viel Bio­mas­se aus an­de­ren Re­gio­nen be­zie­hen, et­wa bil­li­ges So­ja aus Bra­si­lien“, sagt Erb. Es kommt zu ei­ner Pro­blem­ver­schie­bung: „Die Eu­ro­pä­er rich­ten es sich zu Hau­se, ih­re Na­tur wird im­mer schö­ner, und dann im­por­tie­ren sie bil­li­ge Bio­mas­se, die an­ders­wo zu Ab­hol­zung und Bio­di­ver­si­täts­ver­lust führt.“

Könn­te die Welt­be­völ­ke­rung auch er­nährt wer­den, oh­ne Land und Tie­re aus­zu­beu­ten? For­de­run­gen nach ei­ner nach­hal­ti­ge­ren Land­wirt­schaft wird im­mer wie­der ent­geg­net, dass da­durch die Er­näh­rungs­si­cher­heit ge­fähr­det wür­de, wenn zum Bei­spiel in der Vieh­zucht al­le Tie­re frei­en Aus­lauf hät­ten. Aber stimmt das? Erb: „Ei­ne Maß­nah­me wie frei­er Aus­lauf spielt ei­ne ab­so­lut un­ter­geord­ne­te Rol­le bei der Er­näh­rungs­si­cher­heit.“ Mas­sen­tier­hal­tung sei nicht not­wen­dig, um Hun­gers­nö­te zu ver­hin­dern. „Es sind an­de­re Grün­de, wa­rum Tie­re nicht art­ge­recht ge­hal­ten wer­den – al­len vo­ran die öko­no­mi­sche Pro­fi­to­rien­tie­rung.“

Karl­heinz Erb ist Pro­fes­sor an der Al­pen-Adria-Uni­ver­si­tät.