Wa­rum der Quell des Le­bens ver­siegt

Ale­xan­der Hahn in „Der Standard“ 20.2.2016

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Li­ter Was­ser für 1 Ki­lo GE­MÜ­SE
Li­ter Was­ser für 1 Ki­lo GE­TREI­DE
Li­ter Was­ser für 1 Ki­lo EI­ER
Li­ter Was­ser für 1 Ki­lo BUT­TER
Li­ter Was­ser für 1 Ki­lo RIND­FLEISCH

Rund vier Mil­li­ar­den Men­schen sind laut ei­ner ak­tu­el­len Stu­die von Was­ser­man­gel be­droht, deut­lich mehr als zu­vor an­ge­nom­men. Ob­wohl die Tro­cken­heit in an­de­ren Re­gio­nen auf­tritt, wird sie den­noch in eu­ro­päi­schen Su­per­märk­ten mit­ver­ur­sacht.

I n Ös­ter­reich spru­delt reich­lich fri­sches Trink­was­ser aus al­len Lei­tun­gen – ein Lu­xus, der nicht al­len Re­gio­nen die­ser Welt ver­gönnt ist. Denn nur 2,5 Pro­zent der ge­sam­ten Vor­rä­te sind ge­nieß­ba­res Trink­was­ser, wo­von wie­der­um der Groß­teil im po­la­ren Eis fests­teckt. Die Fol­ge ist ei­ne Knap­pheit in vie­len Erd­tei­len. Ak­tu­ell lei­det mit rund vier Mil­li­ar­den Per­so­nen mehr als die Hälf­te der Mensch­heit un­ter Was­ser­man­gel, der zu­min­dest in ei­nem Mo­nat pro Jahr auf­tritt. Das geht aus ei­ner En­de ver­gan­ge­ner Wo­che pu­bli­zier­ten Stu­die des Wis­sen­schaf­ters Ar­jen Ho­eks­tra von der Uni­ver­si­tät Twen­te her­vor.

Da­mit malt der Nie­der­län­der ein we­sent­lich düs­te­re­res Bild, ver­gli­chen mit frü­he­ren Schät­zun­gen, wel­che die Ge­samt­zahl der Be­trof­fe­nen mit 1,7 bis 3,1 Mil­li­ar­den Men­schen be­zif­fer­ten. „Und das Pro­blem wird ste­tig grö­ßer“, hebt Ho­eks­tra im Ge­spräch mit dem STAN­DARD her­vor. Ei­ner­seits neh­me die Ge­samt­be­völ­ke­rung an sich ste­tig zu, nicht je­doch das ver­füg­ba­re Trink­was­ser. Auf der an­de­ren Sei­te er­hö­hen die ver­än­der­ten Kon­sum­ge­wohn­hei­ten in den Schwel­len­län­dern den Ge­samt­ver­brauch. Da­rü­ber hin­aus bringt Ho­eks­tra den Kli­ma­wan­del ins Spiel, der die Was­ser­knap­pheit in oh­ne­dies tro­cke­nen Ge­bie­ten ten­den­zi­ell wei­ter ver­stär­ke.

Zwölf Mo­na­te Tro­cken­heit

Rund ei­ne hal­be Mil­li­on Men­schen sind vom Was­ser­man­gel am stärk­sten be­trof­fen, weil die­ser wäh­rend al­ler zwölf Mo­na­te des Jah­res durch­ge­hend be­steht. Was das für die Be­völ­ke­rung be­deu­tet, hängt laut Ho­eks­tra von den üb­ri­gen Le­bens­um­stän­den ab: In rei­chen Wüs­ten­re­gio­nen des Na­hen Ost­ens kön­ne man ent­we­der Was­ser und Nah­rung di­rekt im­por­tie­ren oder sich über teu­re und en­er­gi­ein­ten­si­ve Was­ser­ent­sal­zungs­an­la­gen die Oze­a­ne als Quel­le er­schlie­ßen.

Kri­tisch wird es, wenn es da­für an den da­zu nö­ti­gen fi­nanz­iel­len Mit­teln fehlt: Dann kön­nen we­der In­dus­trie noch Land­wirt­schaft aus­rei­chend mit Was­ser ge­speist wer­den. Zu­sam­men mit po­li­ti­schen oder re­li­giö­sen Kon­flik­ten kön­ne die zu­neh­men­de Was­ser­knap­pheit wo­mög­lich auch wei­te­re Flücht­lings­strö­me aus­lö­sen, ver­mu­tet Ho­eks­tra. Denn mit die­ser Kom­bi­na­ti­on ist sei­ner An­sicht nach die Grund­la­ge für das Ent­ste­hen von Ar­mut ge­legt.

Da­bei tritt der Was­ser­man­gel wo­an­ders auf, als wo er ver­ur­sacht oder zu­min­dest ver­stärkt wird. In den USA ver­braucht je­der Bür­ger im Schnitt rund 8000 Li­ter Was­ser pro Tag. In Eu­ro­pa fällt mit 4000 Li­ter zwar bloß die Hälf­te an – al­ler­dings wer­den 40 Pro­zent da­von in­di­rekt aus an­de­ren Erd­tei­len im­por­tiert, und zwar haupt­säch­lich über land­wirt­schaft­li­che Pro­duk­te. Was­ser im Haus­halt zu spa­ren, macht für Ho­eks­tra we­nig Sinn, weil dort kaum Ver­brauch an­fällt. Dem Was­ser­man­gel die­ser Welt kön­nen Mit­tel­eu­ro­pä­er sei­ner An­sicht nach beim täg­li­chen Ein­kauf im Su­per­markt we­sent­lich ef­fek­ti­ver ent­ge­gen­wir­ken.

Um ein Ki­lo Ge­mü­se zu er­zeu­gen, müs­sen laut Ho­eks­tra, der ei­nen Was­ser-Fuß­ab­druck für land­wirt­schaft­li­che Pro­duk­te er­ho­ben hat, im Durch­schnitt rund 322 Li­ter Was­ser ein­ge­setzt wer­den. Wer­den nun et­wa Erd­äp­fel aus Ägyp­ten nach Mit­tel­eu­ro­pa ein­ge­führt, kommt dies ei­nem Was­ser­im­port aus ei­nem Tro­cken­ge­biet in ei­ne oh­ne­dies was­ser­rei­che Re­gi­on gleich. „Da­mit wird Was­ser in ei­ner nicht nach­hal­ti­gen Wei­se ein­ge­setzt“, kri­ti­siert der Wis­sen­schaf­ter.

Was­ser­im­por­te über Nah­rung

Noch viel stär­ker tritt die­ser Ef­fekt bei tie­ri­schen Pro­duk­ten auf, für de­ren Er­zeu­gung we­sent­lich mehr Flüs­sig­keit ge­braucht wird. Be­son­ders was­ser­in­ten­siv ist Rind­fleisch, pro Ki­lo fal­len mehr als 15.000 Li­ter an. In Eu­ro­pa trägt der Fleisch­kon­sum laut Ho­eks­tra rund ein Vier­tel zum ge­sam­ten Was­ser­ver­brauch bei. „We­ni­ger Fleisch zu es­sen hat ge­wal­ti­ge Aus­wir­kun­gen.“

Des Wei­te­ren emp­fiehlt der Ex­per­te, haupt­säch­lich re­gio­na­le Pro­duk­te und nur Im­port­wa­ren aus dem be­nach­bar­ten Aus­land zu ver­zeh­ren, um Was­ser­im­por­te aus Re­gio­nen zu ver­mei­den, die von Tro­cken­heit be­droht sind. Zu­dem sei­en bio­lo­gi­sche Pro­duk­te vor­zu­zie­hen, da Was­ser an­sons­ten durch Dün­ger und Spritz­mit­tel we­sent­lich stär­ker ver­un­rei­nigt wer­de.

Kein Ver­ständ­nis kann Ho­eks­tra für die Ent­schei­dung auf­brin­gen, aus Pflan­zen Treib­stof­fe zu er­zeu­gen, an­statt die­se Ag­rar­flä­chen zur Pro­duk­ti­on von Nah­rung ein­zu­set­zen: „Das ist die dümm­ste Idee, die man sich nur vor­stel­len kann. Da­für ha­ben wir ein­fach nicht ge­nug Was­ser.“