Pressetext Austria (pte)
http://www.pressetext.com/news/20160420002

Stephen Bradberry: Politik verschärft Negativfolgen von Katastrophen
Von Thomas Pichler

Klimawandel: Kernproblem freier Marktkapitalismus

Der freie Marktkapitalismus ist ein Kernproblem des Phänomens Klimawandel. Diese Ansicht vertritt Stephen Bradberry, Exekutivdirektor des Alliance Institute [1] in New Orleans. Denn Kapital-Diktate verschärften negative Auswirkungen von Katastrophen oder ermöglichten diese überhaupt erst, wie Bradberry im Rahmen der „Europäischen Toleranzgespräche 2016“ [2] besonders anhand
der Beispiele des Hurrikans Katrina und des Öldesasters auf der Deepwater Horizon illustrieren wird. Im Gespräch mit pressetext betont er, dass übertriebene freie Marktwirtschaft und deren Folgen auch für aktuelle Migrationsbewegungen in Richtung Europa mitverantwortlich seien.

Katastrophen-Kapitalismus

„Sowohl die Katastrophe nach Katrina als auch die BP-Ölkatastrophe resultierten aus der gleichen Ursache: freiem Marktkapitalismus“, hält Bradberry fest. So seien die Überschwemmungen in 80 Prozent von New Orleans auf den Widerwillen der Bush-Administration, für die Erhaltung der Deichsysteme aufzukommen, zurückzuführen. Im Fall von Deepwater Horizon wiederum hätten die Behörden BP gestattet, bestimmte Sicherheitsregeln nicht einzuhalten – aufgrund der Ideologie, „dass Unternehmensinteressen menschliche Sicherheit ausstechen“.

Was heute unter dem Schlagwort „Klimawandel“ bekannt ist, ist Bradberry zufolge eine Auswirkung eben derartigen Denkens. Immerhin sei schon seit geraumer Zeit bekannt, dass wichtige Industrien wie Öl und Gas oder die Nahrungsmittelproduktion negative Auswirkungen auf die Umwelt haben können. „Wir als Gesellschaft haben aber im Namen von Jobs, Wirtschaft un dergleichen einfach weitergemacht.“ Den Preis dafür zahle die Menschheit mittlerweile auch in Form humanitärer Krisen – beispielsweise der Flüchtlingsströme aus dem Nahen Osten.

„Die Unruhen, die als ‚Arabischer Frühling‘ bekannt wurden, waren das Resultat vieler Nahrungsmittelengpässe in Zusammenhang mit Dürren sowie IWF- und Weltbank-Anforderungen, die Sozialdienste gekürzt und auf ‚Cash Crops‘ statt Selbstversorgung beharrt haben“, meint Bradberry. Diese Faktoren hätten Arme gezwungen, in bessere Gegenden zu ziehen. „Gepaart mit Bürgerkrieg und terroristischen Aktivitäten, können die Heimatländer das Wohlergehen der Durchschnittsbevölkerung nicht mehr gewährleisten“, so Bradberry. Das führe zu jener
Massenmigration, die wir heute beobachten. „Das Zurückdrängen dieser Migrationsbewegungen ist ein schlimmer Fall davon, ‚den Opfern die Schuld geben‘ zu wollen.“

Übersehene Ursachen, gezogene Lehren

Bradberry kritisiert, dass im öffentlichen Diskurs zum Klimawandel meist derartige negative Auswirkungen im Zentrum stehen und nicht der freie Marktkapitalismus als Ursache. Das könne damit zusammenhängen, dass die eigentlichen Probleme für Europäer und Nordamerikaner meist fern der Heimat stattfinden. Damaskus sei gut 2.300 Kilometer von Wien entfernt und uns damit immer noch näher als New Orleans der  Traumfabrik Hollywood oder den IT-Zentren San Francisco und Seattle.

Führende Kräfte aus Politik und Wirtschaft hätten freilich dennoch ein Auge auf Ereignisse wie den Arabischen Frühling, so Bradberry – und sei es nur, um daraus Lehren für ähnlich Vorkommnisse näher an der Heimat zu ziehen. „In Louisiana sehen wir derzeit die ersten Klimaflüchtlinge in den USA“, erklärt er. Die US-Bundesregierung komme nun für die Umsiedlung dieser Communitys auf. Es stehe zu vermuten, dass das an den Auswirkungen der Tatenlosigkeit der Welt während der Unruhen im Nahen Osten liege, die letztlich zur aktuellen Migrationssituation geführt habe.

[1] http://www.theallianceinstitute.org/about-us/
[2] http://www.fresach.org/