Von Petra Tempfer

aus: Wiener Zeitung 30.3.2017

Wien. Das Palais Strozzi in der Josefstädter Straße 39, in dem heute das Institut für Höhere Studien (IHS) beheimatet ist, stand jahrelang leer. Nachdem das Finanzamt ausgezogen war, fand sich kein Nachnutzer. Das IHS, das 2015 einen neuen Standort suchte, hätte diesen auf die grüne Wiese bauen können – stattdessen zog es in das leer stehende Palais Strozzi ein.

Diese Art des Brachflächenrecyclings kam einem am Mittwoch als Paradebeispiel in den Sinn, als das IHS zur Präsentation der Studie über Maßnahmen zur Eindämmung des Bodenverbrauchs ins Palais Strozzi einlud. Das IHS hatte diese gemeinsam mit dem Kärntner Institut für Höhere Studien (KIHS) im Auftrag der Österreichischen Hagelversicherung durchgeführt. In keinem anderen Land Europas wird demnach so viel fruchtbarer Boden verbaut wie in Österreich. Ohne Förderungen durch die öffentliche Hand werde eine Revitalisierung der Brachflächen aber nicht durchführbar sein, hieß es von den Studienautoren.

Aktuell ist es so, dass Österreich um ein Vielfaches vom Zielwert beim Bodenverbrauch entfernt ist, den die Regierung vor mehr als zehn Jahren in ihrer Nachhaltigkeitsstrategie verankerte. Dieser liegt bei 2,5 Hektar pro Tag. Statistisch gesehen wird aber jeden Tag eine Fläche von 20 Hektar zubetoniert, also versiegelt. Das entspricht etwa 30 Fußballfeldern oder einem durchschnittlichen landwirtschaftlichen Betrieb. Bei gleichbleibendem Bodenverbrauch würde es in 200 Jahren keine Agrarflächen mehr geben, sagte Kurt Weinberger, Vorstandsvorsitzender der Hagelversicherung. Zubetonierte Flächen könnten zudem kein Wasser und kein Kohlendioxid speichern, was Überschwemmungen respektive Dürre zur Folge habe.

50.000 Hektar ungenützt
Österreich halte aber nicht nur in dieser Hinsicht einen Rekord, so Weinberger, auch die Zahl der leer stehenden Industrie- und Gewerbeflächen sowie Wohnimmobilien sei rekordverdächtig. Schätzungen des Umweltbundesamtes zufolge sind 50.000 Hektar Fläche ungenützt. Zum Vergleich: Wien ist rund 40.000 Hektar groß.

Um diese beiden Rekorde gewissermaßen gegeneinander auszuspielen, ist den Studienautoren Beate Friedl vom KIHS und Alexander Schnabl vom IHS zufolge ein Bündel an Maßnahmen notwendig. Obergrenzen für den Verbrauch an Flächen sollten verbindlich festgelegt und eine kommunale Nachweispflicht eingeführt werden.

Denkbar wäre zum Beispiel auch eine Art Landkarte, eine Flächenmanagement-Datenbank, wie es sie in Bayern gebe, die ungenutzte Immobilien und Brachflächen aufzeige. Vier Pilotgemeinden in Niederösterreich, darunter Gerasdorf und Markersdorf, verwendeten diese bereits. In der Schweiz seien wiederum Fruchtfolgeflächen geschützt.

Zentraler Punkt sei jedoch, so die Studienautoren, die Revitalisierung von Brachflächen öffentlich zu fördern. Dass das in die Zuständigkeit mehrerer Ressorts falle und dadurch nicht so einfach wäre, sei ihnen bewusst – die volkswirtschaftlichen Effekte wären jedoch enorm, sagten sie. In der Studie gingen sie von einer Fördersumme von einer Milliarde Euro auf zehn Jahre, also 100 Millionen Euro jährlich, aus. Damit sollen Mehrkosten, die durch Revitalisierung statt des billigeren Neubaus auf grüner Wiese entstehen, zur Hälfte gefördert werden.

Bei voller Ausschöpfung der Förderquote ergäbe sich eine Wertschöpfung von 2,14 Milliarden Euro, so Studienautor Schnabl, und es entstünden 24.000 Vollzeitjahresarbeitsplätze. An Steuern und Abgaben würden 680 Millionen Euro an die öffentliche Hand zurückfließen, also zwei Drittel des Zuschusses.

Länder zuständig
Das Umweltministerium, das übrigens auf eine Versiegelung von 16 Hektar pro Tag komme, will sich zu dieser Summe noch nicht äußern, heißt es auf Nachfrage. Bereits jetzt stelle es 55 Millionen Euro pro Jahr für die Altlastensanierung zur Verfügung, mit denen je nach Bedarf auch die Sanierung kontaminierter, brach liegender Flächen finanziert werde. Grundsätzlich falle das Thema Raumordnung jedoch in den Bereich von Ländern und Gemeinden. Was den Straßenbau betrifft, so setze Verkehrsminister Jörg Leichtfried ohnehin auf den Ausbau des öffentlichen Verkehrs, wie es heißt. Bei den Bauprojekten werde stets auf die Auswirkungen auf die Raumstruktur geachtet, Baustellen würden nach Fertigstellung begrünt und revitalisiert.

Es sei aber auch der hohe Anspruch vieler Österreicher an ihre eigene Wohnsituation, der die Verbauung vorantreibe, ergänzt Regionalforscher Martin Heintel von der Uni Wien. „Wer auf dem Land baut, möchte ein Haus mit Garten.“ Andere horteten wiederum Brachland als Vermögensanlage, auf das die Gemeinde nicht zugreifen könne.

Die vom Zuzug betroffenen Städte und umliegenden Gemeinden profitieren freilich. Sie waren es ja auch, die zuvor die potenziellen Bewohner und Steuerzahler mit Grundstücken, Infrastruktur und Einkaufszentren angelockt hatten. Hier wird Österreich offenbar seine Kleinteiligkeit zum Verhängnis. Das Land zerfällt in rund 2300 Gemeinden, die alle ihr eigenes Straßennetz, ihre Kleinsiedlungen und Gewerbeparks errichten. Was es daher bräuchte, so Heintel, sei eine überschreitende Raumplanung.