Beim CSA-Treffen im Feber 2015 auf der Boku hat sich eine Gruppe für die Erarbeitung eines „Leitbilds für Solidarische Landwirtschaft in Österreich“ gebildet, in der auch gela-Ochsenherz beteiligt ist. Mit dem Leitbild soll das Selbstverständnis der bestehenden Initiativen festgehalten werden und zugleich sollen Vereinnahmungsbestrebungen durch das Agrar-Business erschwert werden. Das Folgende ist der erarbeitete Entwurf. Kommentare mit Hinweisen, Überlegungen, Einwänden, Anregungen sind herzlich willkommen.


Präambel

Wir sind Menschen, die sich für ein neues Lebensmittelsystem einsetzen, da wir das bestehende Lebensmittel- und Agrarsystem als menschenunwürdig empfinden. Wir sind Menschen, die qualitativ hochwertige Lebensmittel produzieren, verarbeiten und essen wollen. Wir arbeiten in unserem täglichen Leben daran, die Art und Weise wie Lebensmittel produziert, verarbeitet und verteilt werden, grundlegend zu verändern. Dabei ist es uns ein zentrales Anliegen die Beziehungen zwischen den Bäuer_innen und den Essenden sowie den Essenden untereinander solidarischer zu gestalten. Wir sind bereit die Strukturen, die dafür notwendig sind, aufzubauen und zu erhalten, damit alle Menschen einen Zugang zu guten Lebensmitteln haben. Wir sind gewillt, die politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen dahingehend zu verändern, dass eine ökologisch und sozial nachhaltige Landwirtschaft und Ernährung für alle möglich ist. Wir wollen, dass Bäuer_innen, Gärtner_innen, Landlose und Essende, einfach alle Menschen die Möglichkeit bekommen, die Art der Produktion, der Verteilung und des Genusses von Lebensmitteln mitzubestimmen. Wir wollen einen Beitrag leisten um die Machtkonzentration1 im Lebensmittelbereich anzugreifen, den Zugang zu den Produktionsmitteln demokratisch zu gestalten und Ernährungssouveränität2 umzusetzen, indem wir solidarische Landwirtschaft praktizieren.

Mit den Ressourcen und Fähigkeiten, die uns zur Verfügung stehen, versuchen wir Solidarische Landwirtschaft umzusetzen. Es gibt viele Wege die Landwirtschaft solidarischer zu gestalten, wie Gemeinschaftsgestützte Landwirtschaft (CSA), Gemeinschaftsgärten, CMA (Community Made Agriculture), Lebensmittelkooperativen, Gemeinschaftshöfe und Erzeuger_innen-Verbraucher_innen Netzwerke.

Die Arbeitsgruppe Vernetzung für Gemeinschaftsgestützte Landwirtschaft in Österreich besteht aus engagierten Mitgliedern, Bäuer_innen und Aktivist_innen und koordiniert und erleichtert seit dem Herbsttreffen 2013 die Verbindungen zwischen den Initiativen für Gemeinschaftsgestützte Landwirtschaft in Österreich. Aus dem Wunsch heraus diesen Austausch intensiver zu gestalten, den Aufbau neuer Initiativen zu erleichtern und das Netzwerk der Initiativen für Gemeinschaftsgestützte Landwirtschaft zu stärken, wurde im Frühjahr 2015 begonnen ein Leitbild zu formulieren, dass die gemeinsame Grundlage für ein starkes Netzwerk für Gemeinschaftsgestützte Landwirtschaft darstellen soll. Gemeinschaftsgestützte Landwirtschaft kann sich nur auf Grundlage einer Haltung weiterentwickeln, die nicht von Wettbewerbsdenken und Profitorientierung geprägt ist, sondern von solidarischem Miteinander. Dieses Leitbild soll dazu dienen einer Vielfalt von Initiativen eine Plattform bieten zu können und sich gleichzeitig von Initiativen abzugrenzen, die nicht an einer Veränderung der bestehenden Verhältnisse interessiert sind.

Definition

Gemeinschaftsgestützte Landwirtschaft (=CSA=Community Supported Agriculture) bedeutet für uns eine für eine definierte Saison vertraglich abgestimmte Partner_innenschaft zwischen einer/einem oder mehreren Produzent_innen und einer Gruppe von Verbraucher_innen. Die Bäuerinnen und Bauern versuchen die Versorgung mit Lebensmitteln sicherzustellen und die Verbraucher_innen stellen die immateriellen und materiellen Ressourcen für den Betrieb zu Verfügung. Sowohl das Risiko als auch der Ertrag / die Ernte der Produktion wird geteilt. Ein weiteres Merkmal ist die Entkoppelung von Preis und Produkt. Das bedeutet, die Ernteteiler_innen oder Mitglieder einer CSA kaufen sich nicht einen Gemüse- oder sonstigen Produktanteil, sondern sind durch ihren finanziellen Beitrag ein Teil des landwirtschaftlichen Betriebes. Damit der landwirtschaftliche Betrieb finanziell abgesichert arbeiten kann und sich keine Gedanken mehr machen muss wie und wo er seine Produkte „auf den Markt“ bringt, ist der finanzielle Beitrag von den Mitgliedern entweder im Vorhinein zu entrichten oder sie verpflichten sich mittels schriftlicher Erklärung monatlich den vereinbarten Betrag zu bezahlen. CSA’s streben die größtmögliche Unabhängigkeit der Betriebe UND der konsumierenden Mitglieder vom konventionellen Marktgeschehen an.

Die drei Säulen Gemeinschaftsgestützter Landwirtschaft

1. Säule: Gemeinschaft aus Verbraucher_innen und Produzent_innen

Gegenseitiges Vertrauen als Grundsatz:
Auf Grund der verbindlichen Unterstützung für eine Saison und durch die Offenheit der Betriebe sowie die dadurch gegebene Möglichkeit der Einsichtnahme in jegliche Betriebsabläufe ist die Vertrauensbasis gegeben.

Wechselseitige Verantwortung:
Die Gemeinschaft gibt Sicherheit und braucht Verbindlichkeit: Die Verbraucher_innen unterstützen im Voraus und dürfen mitbestimmen; die Produzent_innen bemühen sich konstant hochwertige Lebensmittel zu liefern.

Aufhebung der Anonymität:
Die Verbraucher_innen haben die Möglichkeit, die Produzent_innen und deren Betriebe nicht nur kennen zu lernen sondern auch zu verstehen. Durch regelmäßigen Kontakt entsteht eine Verbundenheit mit den Lebensmitteln und den Bäuerinnen und Bauern. Diese produzieren nicht mehr für den anonymen Markt, sondern für einen konkreten Personenkreis.

Transparenz durch Engagement:
Die Arbeitsweise des landwirtschaftlichen Betriebes ist in allen Bereichen transparent. Die Höfe sind offen für Mitarbeit durch die Mitglieder. Dadurch haben diese die Möglichkeit, Einsicht in betriebliche Abläufe zu nehmen und die Arbeitsweise„ihrer“ Bäuerin bzw. „ihres“ Bauern unmittelbar zu erleben.

Selbsterzeugend und bei Bedarf Kooperationen mit räumlich-nahen Betrieben:
Die Lebensmittelproduktion erfolgt durch die Betriebe der Produzent_innen mit Unterstützung der Verbraucher_innen. Etwaige Kooperationen anderen Betrieben unterliegen den Beschlüssen der jeweiligen Initiative.

Regionalität:
Da ein CSA-/SoLawi-Betrieb ein lokaler Zusammenschluss von Verbraucher_innen und Produzent_innen ist, ergibt sich daraus ganz selbstverständlich die Regionalität.

Demokratisch und selbstorganisiert:
Entscheidungen betreffend die Organisation eines Hofs werden von der jeweiligen Initiative gemeinschaftlich und in demokratischen Prozessen getroffen. Alle Beteiligten werden dadurch angeregt, sowohl Verantwortung für sich selbst als auch für die Gemeinschaft zu übernehmen.

2.Säule: Ressourcenschonend & zukunftsfähig

Achtsamkeit und Wertschätzung gegenüber der Natur

SoLawi-/CSA-Höfe pflegen einen verantwortungsvollen Umgang mit den vorhandenen Ressourcen der Erde und nehmen mit ihrer Wirtschaftsweise Rücksicht auf zukünftige Generationen. Das bedeutet, dass sie achtsam mit dem Land, das sie bewirtschaften, umgehen so wie die Tiere, die darauf leben, mit Respekt behandeln. Außerdem setzen sie Maßnahmen, die Bodenfruchtbarkeit zu erhöhen, um eine langfristige Perspektive der Bewirtschaftung zu ermöglichen. Die biologische Vielfalt sowie natürliche Lebensgrundlagen wie bspw. Wasser werden geschützt.

Förderung von Biodiversität

Die Erhaltung bzw. Förderung der Vielfalt von Nutztierrassen sowie Kulturpflanzen ist ein zentraler Aspekt. Zudem werden Maßnahmen zur Erhöhung der Biodiversität gesetzt.

Ökologische Wirtschaftsweise

Eine ökologische Wirtschaftsweise wird vorausgesetzt. Lange Transportwege und übermäßige Verpackung von Produkten werden vermieden. Notwendige Betriebsmittel werden möglichst regional bezogen bzw. selbst hergestellt. Durch eine bedarfsgerechte Erzeugung gibt es keine oder kaum Überproduktion.
Ob ein Betrieb sich offiziell zertifizieren lässt, bleibt der jeweiligen Hofgemeinschaft überlassen.

Langfristig unabhängig

CSA-/SoLawi-Initiativen sind ein Teil bzw. unterstützen den Aufbau von lokalen Versorgungsökonomien und damit Ernährungsautonomie in der jeweiligen Region. Die hergestellten Produkte werden lokal und direkt an die Verbraucher_innen verteilt, wodurch eine unabhängige Versorgung mit Lebensmitteln langfristig sichergestellt wird.

3.Säule: Verbindlichkeit & Fairness

Zeitlich begrenzte Mitgliedschaft

Die Mitgliedschaft einer Gemeinschaftgestützten Landwirtschaft ist zeitlich begrenzt. Die Dauer dieser Mitgliedschaft ist in einer Vereinbarung (mündlich oder schriftlich) zwischen Verbraucher_innen und Produzent_innen festgehalten und bindend.

Finanzielle Sicherheit für die Bäuerinnen und Bauern

Für die Dauer der Mitgliedschaft verpflichten sich die Verbraucher_innen den Betrieb finanziell und immateriell zu unterstützen. Die finanziellen Beiträge richten sich nach dem Finanzbedarf des Betriebs. Die Form der immateriellen Unterstützung wird von Verbraucher_innen und Produzent_innen gemeinsam festgelegt. Die aus der Summe der finanziellen und immateriellen Beiträge resultierende Menge an Mitteln dient zum Erhalt und der Weiterführung des Landwirtschaftlichen Betriebs und zur fairen Entlohnung der geleisteten Arbeit.

Faire Unterstützungsbeiträge für die Verbraucher_innen

Die Unterstützungsbeiträge sind idealerweise so gestaltet, dass auch Personen mit geringeren finanziellen Möglichkeiten an der CSA/Solidarischen Landwirtschaft oder sonstigen von einer Gemeinschaft gestützten Landwirtschaft teilnehmen können.

Nicht profitorientiert

In einer CSA/Solawi werden in erster Linie Menschen ernährt und keine Profite erzielt. Die Bäuerinnen und Bauern werden fair entlohnt, der Betrieb wird aber nicht gewinnorientiert geführt. Daher sind der Finanzbedarf und die Beiträge regelmäßig zu überprüfen und gegebenenfalls nach oben oder unten anzupassen. Dies geschieht immer gemeinsam durch Verbraucher_innen und Produzent_innen.

Regelmäßiger Zugang zu hochwertigen Lebensmitteln

Die Produzent_innen sorgen dafür,qualitativ hochwertige Lebensmittel zu produzieren und diese den Verbraucher_innen in regelmäßigen Abständen zur Verfügung zu stellen. Zeitpunkt,Art und Weise dafür werden gemeinsam von Verbraucher_innen und Produzent_innen festgelegt.


1 Aktuelle Studie zur Machtkonzentration in landwirtschaftlichen Produktionsketten:
http://www.weltagrarbericht.de/aktuelles/nachrichten/news/de/30720.html

2 Dabei schließen wir uns der Sichtweise an, die in der Deklaration von Krems, 2011 formuliert wurde.