aus Der Standard 25.11.15

Wie Saft aus Ro­ten Rü­ben ge­gen Ka­ries wirkt

Ihr ho­her An­teil an Vi­ta­min B, Ka­li­um, Ei­sen und Fol­säu­re macht die Ro­te Rü­be zu ei­ner der ge­sün­de­sten Ge­mü­se­sor­ten. Dass sie zu­dem reich an Ni­trat ist, macht sie zum Schutz­schild ge­gen Ka­ries, wie ein Te­am der FH Ober­ös­ter­reich nun zei­gen konn­te.

von Re­na­te De­gen


Wels/Wien – Lan­ge hat­te das Ni­trat in Le­bens­mit­teln kei­nen gu­ten Ruf, galt das Pro­dukt der Sal­pe­ter­säu­re doch ge­mein­hin als krebs­er­re­gend. Kli­ni­sche Stu­di­en der letz­ten Jah­re konn­ten die­sen Zu­sam­men­hang beim Men­schen al­ler­dings nicht be­stä­ti­gen. Im Ge­gen­teil schrei­ben vie­le Un­ter­su­chun­gen dem Ni­trat so­gar ge­sund­heits­för­dern­de Wir­kung zu: So soll es die Durch­blu­tung för­dern, den Blut­druck sen­ken und für ge­sun­de Ver­dau­ung sor­gen.

Auch Ot­mar Hög­lin­ger, Lei­ter des Stu­di­en­gan­ges Le­bens­mit­tel­tech­no­lo­gie und Er­näh­rung der Fach­hoch­schu­le Ober­ös­ter­reich, be­tont die po­si­ti­ve Wir­kung von Ni­trat und des­sen we­sent­li­che Funk­ti­on im Herz-Kreis­lauf-Sys­tem des Men­schen: „Un­ser Kör­per weiß über ein aus­ge­klü­gel­tes Sys­tem mit dem Ni­trat um­zu­ge­hen.“ Ei­ne ge­wis­se Men­ge an Ni­trat – et­wa ein Mil­li­gramm pro Ki­lo­gramm Kör­per­ge­wicht – wird so­gar im Kör­per selbst syn­the­ti­siert.

Wich­tigs­te Ni­trat­quel­le

Ge­mü­se ist un­se­re wich­tigs­te Ni­trat­quel­le, vor al­lem Wur­zel­ge­mü­se wie Ro­te Rü­ben und Ret­tich, Blatt­ge­mü­se wie Feld­sa­lat und Spi­nat so­wie die ver­schie­de­nen Kohl­ge­mü­se sind rich­ti­ge Ni­trat­bom­ben. Ro­ten Rü­ben zäh­len zu den ge­sün­de­sten Ge­mü­se­sor­ten, wei­sen sie doch auch ei­nen sehr ho­hen Vi­ta­min-B-, Ka­li­um-, Ei­sen- und Fol­säu­re­ge­halt auf.

Aber vor al­lem ihr ho­her Ni­trat­ge­halt ist es, der die Wun­der­wur­zel schon seit län­ge­rem in­te­res­sant für die Nah­rungs­mit­tel­in­dus­trie und die Her­stel­ler von Sport­ge­trän­ken macht: In kli­ni­schen Stu­di­en wur­de ei­ne leis­tungs­stei­gern­de Wir­kung des Ni­trats nach­ge­wie­sen.

Im Rah­men ei­ner jüngst in der Fach­zeit­schrift Jour­nal of Food Com­po­si­ti­on and Ana­ly­sis pu­bli­zier­ten Ar­beit über ein For­schungs­pro­jekt kul­ti­vier­ten Stu­die­ren­de der Fach­hoch­schu­le Ober­ös­ter­reich sie­ben Ro­te-Rü­ben-Sor­ten mit den klin­gen­den Na­men Ägyp­ti­sche Plat­trun­de, Mo­ro­nia, Bo­li­var, Fo­ro­no, Mo­na Li­sa, Red­val und Ro­busch­ka und ver­gli­chen de­ren Ge­halt. Wäh­rend der Zu­cker- oder Mi­ne­ral­ge­halt zwi­schen den Sor­ten re­la­tiv un­ver­än­dert blieb, va­riier­te der Ni­trat­ge­halt um ein Zehn­fa­ches. Die Sor­te Mo­na Li­sa wies bei wei­tem den höch­sten Ni­trat­ge­halt auf und wur­de folg­lich für die in­dus­tri­el­le Ver­wer­tung emp­foh­len.

Säu­re at­ta­ckiert Zahn­schmelz

Wäh­rend be­reits ei­ne Rei­he von Ro­te-Rü­ben-Säf­ten für Aus­dau­er­sport­ler auf dem Markt ist, wur­de nun erst­mals – in ei­ner Ko­ope­ra­ti­on der FH Ober­ös­ter­reich und der Fir­ma Vo­glsam GmbH – auch ein Saft zur Ka­rie­sprä­ven­ti­on ent­wi­ckelt. Be­kannt­lich haust ja ei­ne Viel­zahl von Bak­te­ri­en in un­se­rem Zahn­be­lag und er­nährt sich von Koh­le­hy­dra­ten, die wir mit un­se­rer Nah­rung lau­fend zur Ver­fü­gung stel­len.

Als Stoff­wech­sel­pro­dukt ent­steht da­bei Säu­re, die den Zahn­schmelz an­greift – Ka­ries kann ent­ste­hen. Wird nun mit der Nah­rung aus­rei­chend Ni­trat auf­ge­nom­men, fin­det in un­se­rem Mund ein so­ge­nann­ter Ni­trat-Ni­trit-Kreis­lauf statt: Über den Spei­chel ge­langt Ni­trat in den Mund­raum und wird im sau­ren Mi­lieu wei­ter zu Ni­trit und die­ses wie­der­um wei­ter zu Stick­stoff­mo­no­xid re­du­ziert. „Stick­stoff­mo­no­xid spielt auf­grund sei­ner star­ken bak­te­ri­zi­den Wir­kung ei­ne we­sent­li­che Rol­le bei der Be­kämp­fung von milch­säu­re­pro­du­zie­ren­den Bak­te­ri­en in un­se­rem Mund“, sagt Hög­lin­ger.

Wie gut die an­ti­bak­te­riel­le Wir­kung des ei­ge­nen Spei­chels ist, lässt sich üb­ri­gens mit ei­nem ein­fa­chen Schnell­test er­mit­teln: Im Han­del er­hält­li­che In­di­ka­tors­trei­fen mes­sen das Ni­trit­le­vel im Spei­chel, wo­raus sich auf die Stick­stoff­mo­no­xid-Kon­zen­tra­ti­on und so­mit den Ka­ries­schutz rück­schlie­ßen lässt.

Ne­ben sei­ner Rol­le als Ni­trat­spen­der er­füllt un­ser Spei­chel üb­ri­gens noch wei­te­re Auf­ga­ben in Sa­chen Ka­ries­schutz: Er kann Bak­te­ri­en von der Zahn­ober­flä­che weg­spü­len, und in ihm ent­hal­te­nes Kal­zi­um und Fluo­rid kön­nen an­ge­grif­fe­ne Zäh­ne zu ei­nem ge­wis­sen Grad re­mi­ne­ra­li­sie­ren.

Nachts ist die Spei­chel­pro­duk­ti­on al­ler­dings ver­min­dert, ein Fak­tor, der ein als „Fläsch­chen­ka­ries“ be­kannt ge­wor­de­nes Phä­no­men be­güns­tigt: Wer­den Klein­kin­dern über Nacht Fläsch­chen mit ge­süß­ten Ge­trän­ken oder Milch ver­ab­reicht, ist die an­ti­bak­te­riel­le Wir­kung durch die ge­ring­ere Spei­chel­men­ge nicht mehr ge­ge­ben. Da­durch kann es ver­stärkt zu Ka­ries­bil­dung an den Milch­zäh­nen kom­men.