Liebe Ernteteiler*innen!
Heute gibt es von mir, wie bereits vor Wochen versprochen, einen „kleinen“ Blick über den Tellerrand und dazu viele Fotos ;):
Ich schreibe heut über ein paar landwirtschaftliche Betriebe, die vor einigen Jahren ich auf einer einjährigen Fahrradtour quer durch Europa kennenlernen durfte. Mein Freund und ich haben damals auf vier verschiedenen Höfen in Schweden, Norwegen und Sizilien für je zwei bis vier Wochen gegen Kost und Logis mitgearbeitet.
Es war ziemlich spannend, Landwirtschaft in so unterschiedlichen Gegenden Europas zu sehen, mitzuerleben, wie sie an die jeweiligen klimatischen Bedingungen angepasst ist, und vor welche neuen Herausforderungen sie vom Klimawandel gestellt wird.
Unsere Radtour hat uns zunächst von Wien aus nach Westen, dann quer durch Deutschland nach Schweden geführt. Der erste Hof, auf dem wir mitgeholfen haben, war der Ramsjö Gård in Björklinge, etwas nördlich der Universitätsstadt Uppsala.
Hier hat Bauer Anders vor vielen Jahren den Hof seines Großvaters und Vaters übernommen und von Tierhaltung auf Gemüseanbau umgestellt. Ramsjö Gård ist eine Solidarische Landwirtschaft mit relativ wenigen Ernteteiler*innen und sehr begrenzten finanziellen Mitteln. Da der Anbauzeitraum bereits in Südschweden durch die langen und kalten Winter erheblich kürzer ist als bei uns im Marchfeld, kann die Solawi keinen ganzjährigen Ernteanteil anbieten und ist auf eine gute Sommerernte angewiesen.
Mit kleinem Budget aber umso größerer Motivation führt Anders mit seinen über 70 Jahren den Hof allein mit einer Handvoll Praktikant*innen und Wwoofer*innen. Sein großes Anliegen ist es, jungen Menschen ökologische Landwirtschaft näher zu bringen, und die Lernmöglichkeiten sind dabei sehr vielfältig: Während unserer zwei Wochen am Hof im Juni haben wir in der Jungpflanzenaufzucht geholfen, im Anbautunnel diverse Kulturen gesetzt und gepflegt, Obstbäume im neu angelegten Waldgarten gepflegt sowie im Freiland auf der Setzmaschine gearbeitet und die Bewässerungsanlage aufgebaut. Zwar sind die Sommermonate in dieser Gegend von Schweden die niederschlagsreichsten, mit einem Jahresniederschlag von rund 500mm ist es hier sogar noch etwas trockener als im Marchfeld. In Kombination mit dem relativ leichten, eher sandigen Boden ist auch hier die Bewässerung der Kulturen unumgänglich.
Vom Ramsjö Gård aus ging es weiter Richtung Norden und Westen, durch die bergige Grenzregion hinein nach Norwegen und weiter bis zur Westküste. Der zweite Wwoof-Hof, auf dem wir den ganzen August lang gearbeitet haben, lag auf der norwegischen Insel Handnesøya, etwas südlich vom nördlichen Polarkreis.
So weit im Norden ist der Anbau von Gemüse bereits durch das kurze Zeitfenster stark eingeschränkt, in dem die Pflanzen wachsen und reifen können. Nicht nur, weil bereits ab Ende August die Temperaturen deutlich abfallen und im September schon gefühlt der Winter beginnt, auch die Tage werden nun schon merklich kürzer. Während um Sommersonnenwende herum die Sonne nur sehr kurz hinterm Horizont verschwindet, nimmt die Tageslänge von da an rapide ab, bis dann im Dezember maximal drei Stunden Tageslicht vorhanden sind.
Traditionell ist die lokale Küche daher eher fisch- und fleischlastig, und auch der Hof Handnesgården von Sigbjørn und Katleen beherbergt neben einem recht kleinen Gemüsegarten noch 10 Stiere, ein paar Pferde, ca. 40 Wollschweine, viele Gänse, unzählige Enten und Hühner, drei Truthähne, eine Katze und einen Hund. Auch einige Kühe und Schafe gehören zum Hof. Diese haben wir allerdings fast nie zu Gesicht bekommen, da sie sie nicht eingezäunt waren und sich völlig frei bewegen konnten.
Da Handnesøya eine überschaubare Insel mit nur ca. 50 ganzjährigen Einwohner*innen ist, lassen die dortigen Bauern und Bäuerinnen im Sommer ihre Kühe und Schafe auf der gesamten Insel frei weiden. Anstatt die Tiere auf Weiden einzuzäunen, werden Futterwiesen für die Winterversorgung ausgezäunt, ebenso die meisten Privatgrundstücke, damit die Tiere nicht in die Gärten eindringen.
Auch die Gänse, Enten und Hühner konnten sich frei bewegen, haben sich jedoch meistens in der Nähe des Hofs aufgehalten, um bei der morgendlichen und abendlichen Fütterung möglichst schnell zur Stelle zu sein. Vor allem Truthahn Kalle ist zur Fütterungszeit keinen Zentimeter von meiner Seite gewichen und hat sich dann bei jeder möglichen Gelegenheit vor meine Kameralinse geworfen.
Auch eine der Kühe kam fast täglich zu Besuch, um sich von Bauer Sigbjörn melken zu lassen. Aus der Milch, die wir nicht frisch benötigt haben, hat Katleen dann einen Sauermilchkäse hergestellt, um sie haltbar zu machen. Wir haben es allerdings in den vier Wochen nicht geschafft, uns an diesen Geschmack zu gewöhnen…
Um im Winter nicht nur von Erdäpfeln und Fleisch leben zu müssen, werden im Sommer fleißig Fisolen eingefroren, Gurken sauer eingelegt, Beeren eingekocht und und und. Eigentlich wenig verwunderlich, für uns aber irgendwie trotzdem überraschend war, dass im August einfach alles gleichzeitig reif war: Erdbeeren, Himbeeren, Kirschen, Weintrauben (allerdings nur im Folientunnel und nicht besonders süß…) und sämtliche Gemüsesorten wurden jetzt geerntet. Außerdem Steinpilze, Eierschwammerl, Birkenrotkappen und Co. wild gesammelt. Im Juli ist vieles noch nicht reif, im September geht die Erntesaison dann schon langsam wieder zu Ende. Wehe, wenn in dieser kurzen Zeit der Vielfalt die Ernte durch Extremwetterereignisse, durch Dauerregen oder Ähnliches zerstört wird…
Da aufgrund des vielen Regens im Sommer kein Heu gemacht werden kann, ist der Hof für die Winterversorgung der Tiere auf Grassilage angewiesen. Daher haben wir während unseres Aufenthalts dort zwei Hochsilos befüllt – eine anstrengende Arbeit und schweißtreibend bei den 28 Grad, die die Locals hier schon als „unerträgliche Hitze“ bezeichnen…
Der niederschlagsreiche Sommer führt außerdem zu einem sehr hohen Beikrautdruck, weshalb wir den Gemüsegarten und die Kräuterbeete bei unserer Ankunft erst einmal suchen mussten. Da man mit gründlichem Jäten hier nicht hinterherkommt, werden die hohen Beikräuter vor der Samenreife einfach kurz überm Boden abgeschnitten und dann als Mulchschicht verwendet.
Nicht nur Starkregenereignisse werden voraussichtlich an der norwegischen Küste in Zukunft zunehmen, auch Stürme und Überschwemmungen drohen hier vermehrt, was die Versorgung der Insel per Schiff vom Festland aus erschweren könnte. Da ist es gut, wenn man sich wie Sigbjørn und Katleen weitgehend selbstversorgen kann, und auch wer gern unter sich bleibt, kommt auf der kleinen Insel voll auf seine Kosten…
Im September bereits von einbrechender Kälte und ungemütlichem Wetter wieder Richtung Süden getrieben, haben wir uns nun auf den Weg nach Sizilien gemacht. Im Dezember sind wir dort angekommen und haben hier bis zum März überwintert. Anfang Jänner haben wir uns in der Nähe der Stadt Giarre, eingeklemmt zwischen Mittelmeer und dem rund 3400 Meter hohen Ätna, erstmals näher mit Olivenbäumen beschäftigt.
Während in Skandinavien der Winter im Pflanzenbau eine eher ruhige Zeit ist, geht es in Sizilien hier erst so richtig los. Die Olivenernte findet zwar bereits ab Oktober statt, zieht sich aber je nach Region bis in den Dezember hinein. Im Anschluss steht der Baumschnitt an. Das war dann im Jänner auch unsere Aufgabe. Gemeinsam mit unserem Wwoof-host Gabriele haben wir die Bäume geschnitten, dann den Baumschnitt zu großen Haufen zusammengetragen und diese an Ort und Stelle vebrannt.
Das Entfernen der frisch geschnittenen Äste aus den Olivenplantagen, entweder durch den Abtransport oder eben durch das Verbrennen, ist essentiell. Durch den hohen Ölgehalt der Blätter war es sogar bei kaltem und feuchtem Winterwetter kein Problem, die noch frischen Äste vollständig zu verbrennen. Lässt man diese liegen, sodass sie abtrocknen können, kommt es bei warmem und trockenem Wetter später im Jahr sehr leicht zu Flächenbränden, die dort in der Gegend regelmäßig ganze Olivenhaine zerstören.
Der Mittelmeerraum gehört zu den Gebieten, die sich durch den Klimawandel am schnellsten erwärmen. Sizilien leidet bereits jetzt an immer extremeren Hitzewellen und Dürreperioden. Das erhöht nicht nur die Gefahr für Großbrände, sondern macht dem Olivenanbau auch anderweitig zu schaffen: Zwar sind (ältere und gut etablierte) Olivenbäume besonders gut an Hitze und Trockenheit angepasst, wird der Wasserstress allerdings zu groß, produzieren sie kaum noch Früchte oder nur kleine, bittere Früchte von minderer Qualität. Unter anderem deshalb ist die Olivenölproduktion im Mittelmeerraum bereits in den letzten Jahren stark eingebrochen.
Am deutlichsten konnten wir die Auswirkungen des Klimawandels aber am letzten Hof sehen und spüren. Die „Caudarella“ von Michele und Vittoria liegt nicht mehr im von ausreichend Niederschlägen begünstigten und vergleichsweise milden Klima östlich des Ätna, sondern weiter im trockenen Inland der Insel, nahe der Stadt Caltagirone.
Hier hat Mico eine alte Kaktusfeigenplantage von seinem Großvater übernommen, die längst nicht mehr bewirtschaftet wurde. Mico und Vittoria wollen dieses heiße und trockene Stück Land in einen Waldgarten verwandeln, wo mehr gedeiht als nur die stacheligen Kaktusfeigen. Da die immer weiter steigenden Temperaturen in Sizilien dabei eine große Hürde darstellen, haben sie sich einer Initiative angeschlossen, die verschiedene Anpassungsstrategien an den Klimawandel im Mittelmeerraum in Zusammenarbeit mit lokalen Betrieben erforscht.
Damit sich junge, neu gepflanzte Bäume gut etablieren können, brauchen sie in den ersten Jahren ausreichend Bewässerung. Erst wenn ihre Wurzeln bis in tiefere Erdschichten reichen, aus denen sich die Bäume selbst mit Wasser versorgen können, kann man die Bewässerung reduzieren und im besten Fall schließlich ganz einstellen.
Übersteigen die Temperaturen jedoch für längere Zeit eine bestimmte Grenze, hilft auch die beste Bewässerung nicht mehr: Die Spaltöffnungen auf den Blättern der Bäume werden geschlossen, um eine zu starke Verdunstung zu verhindern. In der Folge kann kein ausreichender Gasaustausch mehr stattfinden, CO² aus der Luft fehlt für die Photosynthese, auch nehmen die Bäume aufgrund der niedrigeren Saugspannung kaum noch Wasser und Nährstoffe über die Wurzeln aus dem Boden auf. Sie stellen ihr Wachstum ein und leiden unter enormem Stress, was ältere, gesunde Bäume eine gewisse Zeit lang aushalten können, sehr junge Bäume jedoch nicht.
So geschehen auch in der Caudarella, wo im Vorjahr sehr viele neue Bäume gepflanzt worden waren. Im Sommer herrschten dann eine Woche lang Temperaturen von weit über 40 Grad Celsius, und trotz gründlicher Bewässerung starben alle Bäume. Um diese schmerzliche Erfahrung nicht wiederholen zu müssen, werden nun verschiedene Methoden getestet, den Bäumen direkt nach der Pflanzung ein kühleres Mikroklima zu schaffen.
Eine Möglichkeit sind besonders tiefe und enge Pflanzlöcher, die mit einer Art Erdbohrer so tief ausgebohrt werden, dass der dort hineingepflanzte Baum kaum noch herausschaut. So bekommt er gerade noch ein wenig Licht für die Photosynthese, die Temperaturen in der engen „Pflanzröhre“ sind jedoch wesentlich niedriger als an der Oberfläche, und zugeführtes Wasser verdunstet viel langsamer und kann vom Baum besser aufgenommen werden.
Eine weitere Methode ist etwa das Ausheben größerer Gruben oder das Nutzen natürlicher Geländestufen und die Anlage von Terrassen in deren Wänden, um so mehr schattige Beetflächen zu schaffen.
Spannend fand ich vor allem auch die Zweifachnutzung der Kaktusfeigenanlage. Die Feigenkakteen, die bis zu sechs Meter hoch werden können, dienen hier zunächst einmal als Schattenspender. Die jungen Bäume werden direkt unter den Kaktus gepflanzt und profitieren nicht nur von der relativen Kühle in seinem Schatten, sondern auch von einem etwas feuchteren Mikroklima in der direkten Umgebung des Kaktus‘. Kakteen können nicht nur über ihre Wurzeln aus der Erde, sondern auch über ihre Dornen aus der Luft Wasser aufnehmen und in ihren fleischigen „Blättern“, die eigentlich Triebabschnitte sind, speichern. Einige dieser Triebabschnitte werden dann geerntet, zerhackt und unter den Kakteen verteilt, wo sie über längere Zeit hinweg Feuchtigkeit für die jungen Bäume spenden.
Bis der Baum angewurzelt ist und sich etabliert hat, können auch weiterhin die Früchte des Kaktus‘ geerntet werden. Wächst der Baum gut an und „überholt“ irgendwann den Feigenkaktus, stirbt dieser ab und versorgt mit den Resten seiner Triebe den Boden noch eine Zeitlang weiter mit Nährstoffen und Feuchtigkeit. Im Schatten der großen Bäume können dann wiederum kleinere Kulturen wie Kräuter oder Sträucher gepflanzt werden.
Sehr viel könnte ich noch über die Caudarella schreiben, die auch Teil des sizilianischen Kleinbäuer*innen-Konsortiums „le galline felici“ („die glücklichen Hühner“) ist, das nicht nur viele Food Coops in Wien mit Zitrusfrüchten und anderen leckeren Produkten aus Sizilien beliefert, sondern auch für das Überleben und die Unabhängigkeit sizilianischer Klein- und Kleinstbauern und -bäuerinnen und gegen ein Diktat des Marktes kämpft.
Jetzt sind die Hofnachrichten allerdings schon ein halber Roman geworden, ich werde mich also nun einbremsen.
Ich finde aber, das abschließende Beispiel gibt Hoffnung, dass wir auch in Zeiten des Klimawandels durch Ideenreichtum und Kooperation Lösungen für neue (und alte) Probleme finden und uns gegenseitig darin unterstützen können.
Zum Abschluss noch ein paar Fotos von den hier erwähnten Höfen, dann muss ich mal schlafen gehen… 🙂
Mit besten Grüßen,
Inga
Viel:
Genug:
Chinakohl
Erdäpfel festkochend
Erdäpfel mehlig
Grünkohl
Herbstrübe
Karotte
Kimchi
Kohlrabi
Kraut rot
Kraut weiß
Rettich
RoteRübe
Schwarzkohl
Sellerie
Senfkohl
Sprossenkohl
Steckrübe
Zuckerhut
Zwiebel
Kräuter:
Salbei getrocknet
Kimchi: Bitte eigene Behältnisse (wie zb. Schraubgläser) zum Abfüllen mitbringen. Ansonsten gibt es nur die Möglichkeit das Sauerkraut in Plastiksackerl abzufüllen.
Getrocknete Kräuter: Verschiedene Kräuter werden wöchentlich rotieren. Bitte ein Glas oder ähnliches mitnehmen!



















